Die 3 Straßen zum Kunden im Online Sales
14.04.2020Aus der Krise in die Chance II – der Münchhausen-Effekt
21.04.2020Schaut man sich aktuell die durchschlagenden Trends auf Professional Social Media Plattformen an, dann kommt man an einem Hashtag garantiert nicht vorbei: #workingoutloud. Ein Phänomen, das schon seit einigen Jahren bekannt ist, in der aktuellen Krise um die Corona-Welle geht es allerdings durch die Decke. Ich habe mir den Trend genauer angesehen und zeige dir, was dahintersteckt.
Was bedeutet working out loud?
Stell dir vor, du bist Mitarbeiter in einem Unternehmen, das erfolgreich in der Marktforschung ist und über genug finanzielle Mittel verfügt, sehr regelmäßig aussagekräftige Studien durchzuführen. Jedes Mal, wenn du mit deinem Team auf eine neue Erkenntnis stößt, welche in der Marketingpsychologie von Bedeutung ist, lädst du diese Erkenntnis hoch in eine Cloud – diese ist für alle zugänglich und alle Inhalte, die du darauf bereitstellst, sind kostenfrei verfügbar. So kann die Konkurrenz an deinen Erkenntnissen teilhaben und sie selbst in ihrer Strategie einsetzen. Im Gegenzug kann dein Unternehmen in dieser Cloud auch auf Forschungsergebnisse und externes Expertenwissen zugreifen, um diese wirkungsvoll für sich einzusetzen. Das klingt unternehmensökonomisch völlig absurd?
Das sind aber die Grundprinzipien von Working out loud. Der Begriff geht auf Bryce Williams zurück, der 2010 einen interessanten Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft beschrieb. Durch Blogs, soziale Medien und frei zugängliche Foren sei das alte Selbstverständnis, Wissen in Bibliotheken und Universitäten zu verstecken, aufgebrochen worden. Dadurch habe man sich nicht nur vom Wissenssammler hin zum Wissensteiler entwickelt, in der Gesellschaft hat sich auch eine große Bereitschaft zur Autodidaktik entwickelt – jeder kann sich zum Experten googeln.
Wofür ist working out loud gut?
Vor allem im Businesskontext macht das für einen weiteren Pionier des WOL Sinn: John Stepper. Er entwickelt aus den Erkenntnissen von Williams eine Methode, durch die Unternehmen langfristig wertvolle Beziehungen zu Kunden, Partnern und anderen Teilnehmern ihrer Branche aufbauen können, indem sie ihren Wissensschatz mit ihnen teilen. Er beschreibt auch die 5 Wirkmechanismen von working out loud.
- Beziehungen – WOL soll Beziehungen aufbauen, stärken und langfristig machen
- Großzügigkeit – man teilt viel, relevantes und wirksames Wissen
- Sichtbare Arbeit – man teilt Wissen öffentlich und für jeden frei zugänglich
- Zielgerichtetes Verhalten – man teilt Wissen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen
- Wachstumsorientiertes Denken – man teilt Wissen, um die gesamte Branche zu beflügeln
Diese Wirkmechanismen bauen auf dem Prinzip der Schwarmintelligenz auf – ich bin Experte in diesem Feld, du bist Experte in jenem Feld. Wenn sich unser Wissen vereint, wird es stärker und vor allem auch schneller. So können Innovationsprozesse enorm beschleunigt, Falschinvestitionen verhindert und schwerwiegende, kostenintensive Fehler vermieden werden.
Der Trendhashtag ist aktuell vor allem in solidarisch geprägten Geschäftsfeldern erfolgreich. So zum Beispiel in der Medizin. Ein wunderbares Beispiel für working out loud ist die Impfstoffforschung gegen das aktuell kursierende Covid-19 Erkrankung. Verschiedene Pharmakonzerne arbeiten mit Hochdruck an der Erforschung eines wirkvollen Impfstoffs. Ein Prozess, der normalerweise bis zu anderthalb Jahre dauern würde. Da die normalerweise konkurrierenden Unternehmen aus China, Deutschland, USA und vielen weiteren Ländern aber zusammenarbeiten und ihre Forschungsergebnisse in Clouds teilen, werden Fehler nicht doppelt gemacht und erfolgsversprechende Felder schneller erkannt.
Auch in anderen Bereichen ist das Prinzip #workingoutloud aktuell erfolgreich und macht Solidarität zum Trendthema. Dir ist es sicherlich auch schon begegnet: Plötzlich veröffentlicht das traditionelle Café um die Ecke das Familienrezept der Sachertorte, Spitzenköche bieten Online-Kochkurse an, um ihre erfolgreichsten Gerichte für die heimische Küche zugänglich zu machen, Schneidereien veröffentlichen Nähanleitungen für den DIY-Mundschutz – all diese Angebote sind kostenlos und frei zugänglich.
Warum passiert das gerade in der Krise? Das könnte verschiedene Gründe haben. Viele Betriebe haben aktuell nur wenige Möglichkeiten, um mit ihren Kunden in Kontakt zu treten und die Bindung zueinander aufrecht zu erhalten. Für Bereiche wie die Gastronomie steckt hinter WOL also auch ein nicht unwesentlicher Marketing-Effekt. Vor allem scheint die Krise aber ein Umdenken in den Köpfen vieler Menschen hin zum Miteinander bewirkt zu haben. Man macht aus der Not eine Tugend.
Ich finde besonders spannend, dass der Trend sich auch in sehr hart umkämpften Geschäftsfeldern zu etablieren scheint. Markforschung, Technologie- und Energiewirtschaft, die Automobilbranche – vielleicht erwarten uns in den nächsten Monaten und Jahren einige Innovationen und Kooperationen, die auf die aktuelle Trendwelle #workingoutloud zurückgehen.
Und wie kann ich mich an #workingoutloud beteiligen?
Wenn du dein Wissen anderen kostenfrei zur Verfügung stellen möchtest, gibt es dafür etliche Optionen. Ein Blog, ein YouTube-Kanal oder eine eigene Website für genau diesen Zweck. Dort kannst du über deine Erfahrungen sprechen und das ein oder andere persönliche Erfolgsmodell beschreiben, welches für andere nützlich sein könnte. Größere Datensätze – zum Beispiel aus Studien – lassen sich über Clouds teilen.
Übrigens existieren mittlerweile etliche global organisierte WOL-Zirkel, die sich zu einem bestimmten Zweck zusammengefunden haben. Meistens handelt es sich bei den Mitgliedern um große Branchenvertreter, die ganze Abteilungen auf WOL spezialisiert haben. Es gibt aber auch kleinere Zirkel, die auf Einsteiger und Privatpersonen ausgelegt sind. Hier kannst du dich bedingungslos beteiligen.
Aber Vorsicht: Bitte stelle immer sicher, dass es sich dabei um dein eigenes Wissen handelt! Es ist nach wie vor illegal, Firmengeheimnisse preiszugeben oder fremde Quellen als deine eigenen Erkenntnisse auszugeben.
Wenn du dann im Gegenzug auf das Wissen anderer zugreifen möchtest, geht nichts über die gute alte Websuche. Alternativ kannst du auf allen gängigen Social Media Plattformen ganz einfach dem Hashtag #workingoutloud folgen und bekommst so immer mit, welches Wissen im Umlauf ist. Es gibt aktuell so viele Angebote und Verzeichnisse – da ist auch für deine Bedürfnisse das Richtige dabei!
Was hältst du von working out loud? Findest du den Trend sinnvoll oder bist du – wie einige Kritiker – der Meinung, das System könnte auf lange Sicht die Marktwirtschaft ausbremsen?
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